PFULLINGEN/REGION
Badische Wurzeln für guten Zweck
"Wir tun viel für die Jugend in unserem Berufsfeld", erklärt Club der Köche Tübingen / Reutlingen Vorsitzender Winfried Herb, "etwas Karitatives sollte auch dabei sein". Aus dieser Idee entstand vor 15 Jahren die Spargelschäl-Aktion.
Die Akteure der Spargelschäl-Aktion am Samstag im Pfullinger Schmälzle-Frischecenter (von links): Winfried Herb (Vorsitzender des Club der Köche), Markus Böhmler (Bruderhaus-Diakonie), René Eickhoff (KBF Reutlingen), Eberhard Fischer (ehemals Eninger Hof) und Joachim Kock (Bruderhaus-Diakonie). Foto: Angela Steidle
Kontrolle kurz vor 12 Uhr am Spargel-Sonderstand im Schmälzle-Frischecenter: Alle Fingerkuppen sind noch dran, die Stimmung ist blendend, am Marktstand warten Tüten voll Spargelhaut zum Mitnehmen für eine reichhaltige Spargelcremesuppe zum Selbermachen. Das mit dem Schnapsbrennen hat offiziell allerdings noch keiner der Küchenverantwortlichen probiert. Dabei soll der Klare von der Wurzel gar nicht so schlecht sein, schwärmt Joachim Kock, stellvertretender Küchenleiter der Bruderhaus-Diakonie, erdig im Geschmack und nah am Grappa. Der Club der Köche Reutlingen-Tübingen veranstaltete am Samstag seine Benefizaktion für Familien in Not. Zum vierten Mal in Pfullingen bei anspruchsvollem Publikum.
"Die Besucher reagieren super auf die Aktion", freut sich Winfried Herb, Erster Vorsitzender der Köche-Vereinigung und Küchenleiter bei der Diakonie, "auch wenn’s nicht um Mordsbeträge geht - jeder spendet was für sein Probiererle". So kommt am Ende jährlich zwischen 300 und 400 Euro zusammen, und eine Menge Spaß an der Gemeinschaftsaktion. Immerhin: In den vergangenen Jahren reichte der Erlös aus dem Sonderverkauf von badischem Spargel, der vor Ort und à la Minute von den Chefs geschält wird, für eine Waschmaschine, ein Fahrrad, einen neuen Kühlschrank, ein Paar Brillen für zwei ältere Damen. . . Alltägliches, für das oftmals das bisschen Haushaltsgeld einfach nicht langt.
Gerade zum Samstagsgeschäft nehmen Hobbyköche und versierte Hausfrauen gerne die Chance wahr, den Profis auf die Finger zu schauen und mal was Neues zu probieren: etwa die handgemachte Spargelcremesuppe aus dem Stauseehotel in Glems, der frische grün-weiße Spargelsalat des Hotels Achalm oder die Spargel-Panna Cotta - Creme mit marinierten Erdbeeren aus der Küche der Bruderhaus-Diakonie. Und die sollten letztlich
wissen wies geht: Eine halbe Tonne des Gemüses wird dort jedes Frühjahr verarbeitet. Am Samstag waren es immerhin 80 bis 90 Kilo. Auch das geht ordentlich in die Handgelenke. Druckfrisch zur Saison präsentierte Küchenchef Herb aus Kohlstetten sein neues regionales Kochbuch aus dem Landkreis Reutlingen. Von den 19,90 Euro Buchhandels-Preis gehen nochmals je fünf Euro aufs Spendenkonto. Das Sahnehäubchen obendrauf: Herb hatte mit seinen persönlichen Signaturen fürs Buch fast genauso viel zu tun wie die Kollegen nebenan mit dem Spargel. Ein handliches Meisterwerk, gespickt mit 63 Hausmacher-Rezepten und Schmankerln aus der Region, eingesammelt bei bekannten Spitzenköchen und kulinarischen Urgesteinen wie der Seniorchefin Zondler. Geheimrezepte von Land- und Backfrauen, die wissen, wie man mit dem umgeht, was vor der Haustür wächst.
Die Hintergrundgeschichten dazu erzählen ausgewählte Autoren der Reutlinger Zeitenspiegel-Reportage Schule. Mindestens genauso spannend sind die Anekdoten, die Herb beim Spargelschälen in die Signierpausen würzt: etwa über das original Dinkelbrot-Backrezept, das seine Mutter noch an seine Frau vererbt hat, weil das auf dem Demeter-Pionierhof in Kohlstetten so Sitte ist. Oder die Verbindung seines Vaters zum Münzdorfer Köhler Jörg Geiselhart. Herb Senior hat ihm das Köhlerhandwerk beigebracht. Eine dörfliche Liaison, aus der das traditionelle Köhlerfest entstand. Dazu die Herbsche Kreation des original Kohlstetter Köhlerbraten. Nur Spargel - das kommt in dem Buch gar nicht vor.